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Wer kennt nicht die geisterhaften Funken beim Ausziehen eines Pullovers im Dunkeln? Es sind kleinste Blitze, verursacht von derselben Kraft, die auch am sommerlichen Himmel Blitze zucken lässt. Fachleute nennen sie Elektrostatik.
In den letzten Jahrzehnten hat man gelernt, diese älteste bekannte Form der Elektrizität für die Technik nutzbar zu machen. Elektrostatik überträgt beim Fotokopieren den Toner auf das Papier und transportiert beim Lackieren kleinste Farbentröpfchen kontrolliert an ihren Bestimmungsort, um nur zwei der zahlreichen Anwendungen zu nennen.
Ganz anders verhält es sich mit Elektrostatik in der Mikroelektronik, wo aufgrund der Empfindlichkeit der Halbleiter bereits geringste elektrostatische Entladungen große Schäden verursachen können.
Elektrostatische Entladungen können überall Schäden verursachen: an Bauteilen, in Schaltungen und im Produkt! Da Ladungen hauptsächlich durch Reibung entstehen, stellt der Mensch das größte Risikopotential für die hochsensible Elektronik dar (siehe Abbildung).
Elektronische Bauteile sind für Betriebsspannungen von einigen Volt ausgelegt. Elektrostatische Aufladung erzeugt aber Spannungen von bis zu einigen Tausend Volt. Entladen sich solche Spannungen zwischen leitenden Gegenständen, dann fließen kurzzeitig größere Ströme, die Leiterbahnen zum Schmelzen bringen können. Hohe Spannungen sind auch in der Lage, die Oxidschicht bei MOS-Bauteilen zu durchschlagen. Dabei entsteht ein kleiner Krater, der die Schaltung beschädigt. Im einfachsten Fall zerstört die Entladung das Bauteil.
In der weitaus größeren Zahl der Fälle werden Bauteile oder Leiterplatten nur in so geringem Ausmaß beschädigt, dass sie ihre Funktion behalten und die Endkontrolle passieren. Im Gebrauch führen diese verborgenen Schäden jedoch früher oder später zu Störungen oder Ausfällen und sind mit erheblichen Reparaturkosten verbunden. Diese latenten Schwächungen bezeichnet man auch als „walking wounded“ oder „latent failure“.
Jedes beschädigte Bauteil verursacht Kosten, die am Anfang bei der Bauteil-Eingangskontrolle noch gering sind. Ist das Bauteil einmal im Gerät verbaut und scheidet bei der Endprüfung aus, so haben sich die Kosten gegenüber der Eingangskontrolle bereits verdoppelt. Kommt es jedoch zu einem Produktausfall beim Kunden, steigen die Kosten auf das 10fache und noch höher.
Zur Vermeidung von ESD-Schäden müssen elektronische Baugruppen (zum Beispiel Computerkomponenten) oder Bauteile mit hohem Innenwiderstand (insbesondere Integrierte Schaltkreise, Leuchtdioden, Halbleiterlaser, Schottky-Dioden, MOSFET und IGBT) in ESD-geschützter Umgebung (Electrostatic Protected Area, EPA) gehandhabt, verpackt und gelagert werden. Solche ESD-Arbeitsplätze und ESD-geschützte Bereiche in der Halbleiterfertigung leiten bestehende elektrostatische Ladungen kontrolliert gegen Erde ab und verhindern die meist durch Reibungselektrizität entstehenden Aufladungen. Dies geschieht durch elektrisch leitfähige Arbeitsoberflächen, Antistatikbänder, entsprechende Möbel, Bekleidung, Schuhe, Bodenbelag, ionisierte Umgebungsluft und Erdung aller Komponenten.
Verpackungen für ESD-empfindliche Bauteile müssen aus leitfähig ausgerüsteten (elektrostatisch dissipativen) Kunststoffen bestehen. Es gibt durch Füllstoffe leitende oder metallbedampfte Folien, Füllmaterialien und Schaumstoffe. Oft sind die empfindlichen Anschlüsse der Bauteile zum Transport mit einer Kurzschlussbrücke verbunden.
Nicht fachgerecht (ESD-geschützt) verpackt gelieferte ESD-empfindliche Halbleiterbauelemente sollte man an den Lieferanten zurückschicken, da sie – auch wenn sie anfangs funktionieren – nicht ausfallsicher sind.